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Osterbotschaft 2022

des Metropoliten Augoustinos von Deutschland,

Exarchen von Zentraleuropa


* * *


Liebe orthodoxe Christen in Deutschland!


Die heutige Nacht ist schön, aber auch eigenartig! Es ist noch nicht lange her, dass wir auf Golgatha waren. Wir standen unter dem Kreuz des Herrn. Wir betrachteten mit von Trauer erfülltem Herz den Gekreuzigten. Ihn, der uns gelehrt hat, dass die wahre Liebe das höchste Opfer ist, das wir erbringen; und zwar nicht die anderen, sondern uns selbst zu opfern. Und jetzt erwarten wir, wie Er es uns zugesagt hat, seine Auferstehung. In wenigen Augenblicken wird an die Stelle des Schmerzes über die Ungerechtigkeit die Erleichterung über den so unerwarteten Sieg dessen, dem dieses große Unrecht geschehen ist, treten; an Stelle der Gewalt und des Hasses gegen diesen wahrhaft Unschuldigen wird der Friede und die Vergebung durch Seine Liebe treten; denn nur diese vermag, Gegensätze zu vereinen, Widersacher zu versöhnen, sogar den Tod selbst zu überwinden!


Der Sohn Gottes lehrt uns, dass wir die Auferstehung nur sehen können, wenn wir uns selbst verleugnen – besonders jene schrecklichen Eigenschaften von uns, die uns und andere belasten –, wenn wir unser persönliches Kreuz auf uns nehmen und Ihm nachfolgen[1]. Es gibt keine Abkürzung auf dem Weg zur Auferstehung. Er führt immer durch Golgatha; und immer mit der Gewissheit: „Es ist sein Kreuz und nicht das unsere, das uns rettet. Es ist sein Kreuz, das nicht nur anderen Kreuzen einen Sinn gibt, sondern ihnen auch Wirksamkeit verleiht.“[2]


Wie erschreckend aktuell, besonders für unsere Geschwister in der Ukraine, und wie wahr ist die Feststellung des Apostels Paulus, wenn er an die Christen in Korinth schreibt: Solange es uns Menschen gibt, werden uns überall Schwierigkeiten bedrängen, von außen Kämpfe und von innen Ängste.[3] Jedoch versichert uns der Apostel Paulus selbst, der auf wundersame Weise dem auferstandenen Christus begegnete, dass wir Christen trotz aller Leiden, Nöten, Sorgen und Bedrängnisse[4] „durch lautere Gesinnung, durch Erkenntnis, durch Langmut, durch Güte, durch den Heiligen Geist, durch ungeheuchelte Liebe“[5] wandeln. Und er fährt fort: „Wir werden verkannt und doch anerkannt; wir sind wie Sterbende und siehe, wir leben; wir werden gezüchtigt und doch nicht getötet; uns wird Leid zugefügt und doch sind wir jederzeit fröhlich; wir sind arm und machen doch viele reich; wir haben nichts und haben doch alles.“[6]

An diesem Osterfest wünsche ich mir gemeinsam mit dem Apostel Paulus, dass auch wir unsere Herzen weit aufgehen lassen[7], dass wir Kraft vom Gekreuzigten und Gnade von unserem auferstandenen Herrn empfangen, damit Seine Auferstehung zu unserer eigenen persönlichen Auferstehung wird, dass uns also die Angst genommen wird und wir uns der Freiheit in seiner Nähe erfreuen. Möge auch für uns die Schönheit und das Eigenartige dieser Auferstehungsnacht Wirklichkeit werden: dass wir nämlich nichts haben und doch alles besitzen — im Namen des Herrn der Herrlichkeit!


Liebe orthodoxe Christen in Deutschland,

Gesegnetes Osterfest!


Euer Metropolit


† Augoustinos von Deutschland




[1] Vgl. Mt 16,24. [2] Alexander Schmemann, Die Große Fastenzeit. Askese und Liturgie in der Orthodoxen Kirche, Veröffentlichungen des Instituts für Orthodoxe Theologie 2, München 1994, S. 64. [3] Vgl. 2 Kor 7,5. [4] Vgl. 2 Kor 6,4-5. [5] 2 Kor 6,6. [6] 2 Kor 6,9-10. [7] Vgl. 2 Kor 6,13.

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