top of page

Predigt bei der Orthodoxen Liturgie in Trier (19. Juni 2025)

  • Autorenbild: Administrator
    Administrator
  • 23. Juni
  • 5 Min. Lesezeit

Erzpriester Radu Constantin Miron


 

Christus ist in unserer Mitte! Nachdem wir das heilige Evangelium gehört haben, werden wir gleich mit dem Gesang des Cherubimhymnus unsere Gaben von Brot und Wein auf den Altar bringen. Wir werden singen „Lasst uns nun ablegen alle irdischen Sorgen, damit wir empfangen den König des Alls…[1] und uns kurz darauf gegenseitig den Friedensgruß geben. Alle zelebrierenden Bischöfe und Priester werden zueinander sagen „Христос међу нама - Christus ist in unserer Mitte!“ Sie werden sich dabei umarmen und als Antwort hören „Er ist es und er wird es sein!“ Und wir alle sind eingeladen, ihrem Beispiel zu folgen, wenn wir einander versichern: Christus ist mitten unter uns! Ja, er ist unter uns, wenn wir jede irdische Sorge ablegen und ihn als den König aller empfangen. Deshalb erkennen wir ihn in jeder Göttlichen Liturgie als den „Herrn und Gebieter unseres Lebens“, weil wir im Großen Einzug Seinen Gang nach Golgota nicht nur einfach nachfeiern, sondern hier und heute tatsächlich miterleben, in gleicher Weise miterleben, wie wenn wir dann die hl. Kommunion, Leib und Blut Christi empfangen und sprechen: „Als Teilnehmer an Deinem mystischen Abendmahl, Sohn Gottes, nimm mich heute auf...“.[2]

Heute, nicht gestern, nicht morgen, heute! Christus ist heute in unserer Mitte! Nicht irgendwo am Rand, weit weg, sondern ganz nah: eben in unserer Mitte. Eins gilt es dabei festzuhalten: Wenn wir diese Christusnähe verlieren, dann ist unser Glaube vergeblich!

Es gab, liebe Schwestern und Brüder, eine Zeit, da bestand eine große Gefahr, dass die Menschen die Nähe zum menschgewordenen Gott, zum Messias, zu Christus beinahe verloren hätten. Eine Irrlehre, ein falscher Weg im Glauben, drohte sich breitzumachen. Arius, ein Priester aus Alexandria, meinte glauben und verbreiten zu müssen, dass Jesus Christus zwar ein von Gott geliebter, ja, besonders geliebter Mensch, aber letzten Endes doch nicht mehr als ein Mensch war. Es war die Versammlung der Bischöfe, die vor 1700 Jahren in Nizäa zusammenkam, die diese falsche Lehre entlarvte und verurteilte. Denn ein Mensch kann uns nicht erlösen, kann uns nicht retten. Kaiser Konstantin, der Heilige Konstantin der Große, wie wir Orthodoxen ihn nennen, war es, der die Bischöfe nach Nizäa eingeladen hatte. Aus dem ganzen Kaiserreich, ja sogar darüber hinaus, waren sie gekommen und kamen zu Gebet und zu Beratungen zusammen. Und sie stellten fest: „Ὁ Χριστὸς ἐν τῷ μέσῳ ἡμῶν - Christus ist in unserer Mitte!“ Und wer ist dieser Christus? Die Väter haben es uns beigebracht: „Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, eines Wesens mit dem Vater (Homousios)“

Christus ist nicht nur wahrer Mensch, Christus ist auch wahrer Gott. „Christus ist in unserer Mitte“ bedeutet also, wenn wir den Vätern von Nizäa folgen, dass Gott selbst in unserer Mitte ist. Wir begegnen uns nicht nur auf einer zwischenmenschlichen Ebene, sondern auf einer zwischengöttlichen Ebene, eben weil Christus in unserer Mitte ist. Noch einmal: wenn wir den Glauben der Väter von Nizäa ernstnehmen und jenes Glaubensbekenntnis, das dann 56 Jahre später in Konstantinopel vervollständigt wurde, wenn wir dieses Glaubensbekenntnis ernst nehmen, dann ist unser ganzes Leben von der Anwesenheit Gottes geprägt. „Dies ist der Glaube der Apostel, dies ist der Glaube der Väter, dies ist der Glaube der Orthodoxen, dieser Glaube hat den Erdkreis gefestigt.“[3]

„Christos posrede naš - Christus ist in unserer Mitte!“ bedeutet, dass unser Leben ein Leben mit Gott ist, unserem Gott, der Liebe ist. Oder, wie es Metropolit Anthony Bloom einmal gesagt hat: „Wir wissen, dass das Königreich Gottes uns gehört, wenn wir ihm einfach folgen.“[4]

Ich erwähnte gerade das Gebet, das wir vor der Heiligen Kommunion sprechen oder singen, wenn wir Christus darum bitten, Teilnehmer an seinem mystischen Abendmahl sein zu dürfen. Das ist im Grunde so, als ob wir Jesus Christus darum bitten, im Obergemach, dort wo das Letzte Abendmahl stattfand[5], einen Platz reserviert zu bekommen. Dieses Gebet hält für uns gewissermaßen die Zeit an oder überspringt die Zeit, wenn wir heute mit dabei sein dürfen, im damaligen Abendmahlssaal Jesu und seiner Jünger.

Gestatten Sie mir, dieses schöne Bild auch auf das Nizäa-Jubiläum, das wir heute feiern, zu übertragen. Im Grunde erlaubt uns doch jedes Jahr die Feier der 318 Väter des Ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa - und ganz besonders solch ein rundes Jubiläum wie in diesem Jahr – ebenfalls, die Grenzen der Zeit zu überschreiten. Wenn wir sonntags in unseren Kirchen das Glaubensbekenntnis der Väter sprechen, ist es doch so, als ob sie mit uns in der Kirche stünden und es mit uns beten. Ja, beten, denn das Symbolon des Glaubens ist nicht eine trockenes Stück Papier, sondern ein Glaubenszeugnis und Gebet, das mit dem Blut der Märtyrer geschrieben wurde. Und auch wenn wir in unserem täglichen privaten Gebet dieses Credo, dieses ΠΙΣΤΕΥΩ sprechen, dann ist es doch ebenfalls so, als steht Athanasius der Große und Spyridon von Trimithus oder Alexander von Alexandrien und Nikolaus von Myra und alle anderen Väter von Nizäa mit uns in unserem Kämmerlein und sprechen es mit uns. Auf dieser Ikone, die in diesem Jahr durch ganz Deutschland reist und heute hier in Trier ist, sitzt Kaiser Konstantin mit allen Bischöfen auf den Sitzen um das Evangelium herum, um den Logos Gottes. „Hristos în mijlocul nostru! - Christus ist in unserer Mitte!“ könnte also die Überschrift auch dieser Ikone lauten. Und wenn Christus in unserer Mitte ist, dann ist auch für uns ein Platz auf den Bänken der Konzilsteilnehmer von Nizäa. Mit den Vätern zusammen sprechen wir gleich das Glaubensbekenntnis und bekennen dadurch, dass Christus in unserer Mitte ist. Zuvor werden wir uns, wie gesagt, den Friedensgruß geben. Warum tun wir das? Weil Christus selbst zu uns sagt: "Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe."[6] Wir versöhnen uns und unsere gegenseitige Umarmung wird – weil Christus in unserer Mitte ist - auch ein Umarmen Christi sein. Nikolaj Gogol hat einmal über Christi Kommen die Welt gesagt: er erschien (…) „nicht in stolzem Glanze und in Erhabenheit, nicht als Rächer von Vergehen, auch nicht als Richter, der da käme, die einen zu vernichten, die andern zu belohnen. Nein, so nicht! Aber wir spürten seinen sanften Bruderkuss.“[7]

Christus ist in unserer Mitte, nicht unnahbar, nicht strafend, sondern als der, der uns seinen Bruderkuss gibt…

Nach der Liturgie werden wir die Ikone begrüßen und aus diesem Haus, das der hl. Konstantin der Große gebaut hat, nach Hause fahren. Wir werden in unseren Alltag zurückkehren und uns an diesen Tag erinnern, als an den Tag, an dem wir neu entdeckt haben, dass Christus in unserer Mitte ist. Er ist es und er wird es sein! Amen.


[1]              Cherubimhymnus der Göttlichen Liturgie

[2]              Kommuniongebet der Göttlichen Liturgie

[3]              Synodikon vom Sonntag der Orthodoxie

[4]              „We know that the Kingdom of God is ours if we simply follow him.“ Metropolitan Anthony <Bloom>, Meditations on a Theme, London 1971, S. 125

[5]              Mk 14,12–16

[6]              Mt 5,23

[7]              Nikolaus Gogol, Betrachtungen über die göttliche Liturgie. Ins Deutsche übertragen von Reinhold von Walter, Freiburg: Herder 1954, Seite 2



 
 
 

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comentarios


ADRESSE

Dietrich-Bonhoeffer-Str. 2
53227 BONN

POSTANSCHRIFT

GRIECHISCH-ORTHODOXE
METROPOLIE VON DEUTSCHLAND


POSTFACH 30 05 55
53185 BONN
DEUTSCHLAND

SOCIAL MEDIA
  • Facebook Social Icon
  • Youtube

© 2025 Griechisch-Orthodoxe Metropolie von Deutschland - Impressum - Datenschutzerklärung

bottom of page