Weihnachtsbotschaft 2021
des Metropoliten Augoustinos von Deutschland,
Exarchen von Zentraleuropa
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Liebe orthodoxe Christen in Deutschland,
im Gottesdienst des Heiligen Abends hören wir den hl. Apostel Paulus über Christus sagen: „Daher musste der Sohn in allem Seinen Brüdern gleich werden, um ein barmherziger und treuer Hoherpriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen.“[1] Der Völkerapostel deutet die grenzenlose Barmherzigkeit Gottes gegenüber dem Menschen. Mit einfachen Worten: Er lehrt uns, dass der leiblose Gott durch die Annahme der menschlichen Natur in allem Seinen Brüdern gleich werden wollte, um die Menschen zu vergöttlichen und von der Sklaverei der Sünde zu befreien. Diese Perspektive hilft uns, die Paradoxien, die mit der Geburt Christi, deren Feier wir sehnsüchtig erwarten, verbunden sind und die uns so vertraut sind, besser zu verstehen.
Christus tritt durch seine Menschwerdung in ein verwandtschaftliches Verhältnis zu uns ein und nennt uns Brüder und Schwestern. Er ist nicht mehr der fremde, der unbekannte, der allmächtige und unbegreifliche Gott, mit dem Moses im Alten Testament gesprochen hat. Christus, unser Bruder, tritt, in seiner grenzenlosen Liebe, auf dieselbe einfache und demütige Weise wie wir in die menschliche Geschichte ein, er tut dies in Übereinstimmung mit dem „Bild“, als das Er uns erschaffen hat.[2] Als der Geringste unter den Menschen wird er in einem Stall geboren.
Der anfanglose Gott wird, wie es uns der hl. Johannes Chrysostomus so treffend beschreibt, alles für den Menschen: „Ich bin dein Vater, ich bin dein Bruder, ich bin dein Bräutigam, ich bin dein Haus, ich bin deine Nahrung, ich bin dein Gewand, ich bin deine Wurzel, ich bin dein Fundament, ich bin alles, was du begehrst, so dass dir nichts mehr mangelt. Ich werde dir auch dienen, denn ich bin gekommen zu dienen, statt mich bedienen zu lassen. Ich bin auch dein Freund, ich bin Glied und Haupt deines Leibes. Ich bin dein Bruder, deine Schwester und deine Mutter. Ich bin alles das, sofern du mir freundschaftlich verbunden bleibst. Ich bin für dich arm geworden. Ich bin für dich zum Bettler geworden. Ich bin für dich auf das Kreuz gestiegen. Ich bin für dich begraben worden. Im Himmel oben bitte ich für dich den Vater. Auf die Erde unten hat mich der Vater gesandt, um für dich Mittler zu sein. Für mich bist du alles: Bruder, Erbe, Freund und Glied meines Leibes. Was willst du noch darüber hinaus?“[3]
Durch die Annahme dieser Ehre dürfen wir uns Brüder und Schwestern des Herrn nennen, werden wir berufen, Christus nachzuahmen und uns unserem erstgeborenen Bruder anzugleichen. Nicht in Bezug auf Seine Heiligkeit und Seine Allmacht, sondern durch Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Liebe, indem wir die ganze Schöpfung umarmen und uns dem Nächsten zuwenden. Dadurch wird der Mensch erhöht und wird jener Hymnus des Festes der Geburt Christi verwirklicht, der uns einlädt, uns erhöhen zu lassen, indem wir die göttlichen Gaben empfangen: die Freude der Erlösung, die Hoffnung auf das Heil, die Erhabenheit der Demut und die Vollendung der Liebe.
Seit Jahrhunderten tritt uns jährlich Bethlehem als eine Gelegenheit vor Augen, unsere eigene Armut zu erkennen und geistlichen Reichtum zu schöpfen. Zugleich mit der Erkenntnis, dass Gott uns nach Seinem Bild erschaffen hat, dass Er uns auch Fähigkeiten und einzigartige Gnadengaben gegeben hat, dass Er uns die Kraft Seines eigenen Wortes geschenkt hat[4], wird Christus unser Bruder. Er gibt uns Macht, Kinder Gottes zu sein, so dass unsere Versuchungen weniger komplex werden. Es ist etwas anderes, Schwierigkeiten zu ertragen, krank zu sein, Leidenschaften und Fehlschläge zu zählen, seine Einsamkeit zu betrauern, dazu das Unvermögen und die Ungerechtigkeit in der Welt, wenn ich weiß, dass Christus mein Bruder ist. Wir vertrauen Ihm unsere Qualen an und Er, unser Bruder, der barmherzige und treue Hohepriester, bringt selbst das Opfer dar, um uns unter unseren Lasten Erschöpfte zu erquicken.[5] Christus wird im Leben der Kirche im Wort und in den Sakramenten dargebracht und stärkt uns so in unserem täglichen Kampf durch Seine grenzenlose Liebe. Das zeigen uns die Erfahrung und das Leben der Heiligen, die die beständige Annäherung Gottes an den Menschen und alles, was die Gemeinschaft mit Ihm und die aufrichtige Beziehung zu Ihm uns gewähren, empfunden haben.
Meine Lieben,
Der, der uns heiligt, und wir, die wir von Ihm geheiligt werden, gehören zur selben Familie. Für das diesjährige Weihnachtsfest ist mein Wunsch: Unsere geschwisterliche Verbindung mit Christus möge uns so bewusst sein, dass weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges[6] sie jemals werden zerstören können. Diese Erfahrung unserer Beziehung zu Gott, die unablässige Suche nach Ihm und die Gewissheit Seiner Gegenwart weiten unser Herz und machen es zur Krippe, die das Licht und die Hoffnung verbreitet, deren wir so sehr bedürfen. Gesegnete Weihnachten!
Bonn, am 25. Dezember 2021
Euer Metropolit
+ Augoustinos von Deutschland
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