Metropolit Augoustinos von Deutschland
Predigt bei der Liturgie am Sonntag der Orthodoxie
(Konzelebration der Bischöfe der OBKD)
Düsseldorf – 13. März 2022
Liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst, verehrte Väter, liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder!
Wie in jedem Jahr feiern wir, die orthodoxen Bischöfe unseres Landes, gemeinsam mit Ihnen den „Sonntag der Orthodoxie“. Nur diesmal ist alles anders: Denn die Nachrichten, die uns aus der - mehrheitlich orthodoxen - Ukraine erreichen, haben uns alle schockiert und verstört. Millionen von Menschen sind auf der Flucht vor einem unverschuldeten und grausamen Krieg, vor Aggression und einer offensichtlich völkerrechtswidrigen Invasion. Ich selbst gehöre zu einer Generation, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hat und sich noch an die Schrecken und das Leiden des Krieges erinnert. Es war und ist deshalb unvorstellbar für mich, dieses für meine Generation so traumatische Geschehen nun wieder erleben zu müssen. Und ich weiss auch, dass viele von Ihnen, liebe Mitglieder dieser Gemeinde, ebenfalls Krieg in Ihrem Leben erfahren mussten.
Ein großer geistlicher Vater unserer Tage hat über den Krieg in der Ukraine gesagt: „Wir wissen nicht alles über die Konflikte dieser Welt und müssen es auch nicht wissen. Wir beten einfach mit einem mitfühlenden Herzen für den Frieden der Welt und für alle. Wir ergreifen keine Partei, denn jede Seite wird für Verbrechen verantwortlich sein, und wir wollen diese Verbrechen nicht teilen und verurteilt werden. Wenn wir für diejenigen beten, die mehr Unrecht als Recht haben, dann erfüllen wir das Gebot, sogar unsere Feinde zu lieben. Und wenn wir für diejenigen beten, die mehr gerecht als ungerecht sind, tun wir gut dran.“ Soweit die Worte von Vater Zacharias aus dem bekannten Kloster von Essex in Großbritannien.
Es ist richtig, dass wir nicht Partei ergreifen; ich würde allerdings hinzufügen: dies gilt insbesondere auch deswegen, weil die Kirche schon seit ihrer Gründung Partei ergriffen hat: sie steht, wenn sie Kirche Jesu Christi ist, immer an der Seite der Unterdrückten und Ausgebeuteten, an der Seite der Friedfertigen und der Friedensstifter, der Witwen und Waisen, der Entrechteten und der Armen. Das Gebet der orthodoxen Kirche ist, dass in der Welt Frieden herrschen möge und dass alle gerettet werden mögen. Ja, sie betet auch für die Herrschenden, wie es in der Liturgie des Hl. Basilius heisst: „Gedenke, o Herr, jeder Herrschaft und Gewalt, unserer Brüder im Palaste und des ganzen Heeres; erhalte die Guten in Deiner Güte und mache die Bösen durch Deine Güte gut.“
Unser Gebet umfasst also alle, die Verantwortung tragen in Politik und Gesellschaft – ohne jede Einschränkung. Und ohne jene Einschränkung sind wir ebenso der Wahrheit verpflichtet, um für die Wahrheit aufzustehen und die Wahrheit zu verteidigen. Wir leben Gott sei Dank in einem freien Land, wo wir die Wahrheit frei und standhaft (ἐν παρρησίᾳ) aussprechen können. Ich weiß, dass dies nicht überall auf der Welt möglich ist und ich erinnere mich an die Zeit vor der politischen Wende in Europa, als ein bischöflicher Mitbruder aus der damaligen Sowjetunion das erschreckende Wort vom „Martyrium der Lüge“ verwendete, um die Situation der Kirche in seiner Heimat zu beschreiben.
Gott hat uns hierhin, an diesen Ort gestellt, dass wir ihm und der uns anvertrauten Herde so dienen, wie es in unseren Kräften steht und wie es hier und heute möglich ist. Die orthodoxen Bischöfe Deutschlands, die gestern hier ihre Frühjahrssitzung abgehalten haben sind sich einig, dass unser Zeugnis, das Zeugnis der EINEN heiligen Orthodoxen Kirche, in diesem Land glaubwürdig bleiben muss. Wir haben deshalb bei unserer Sitzung ein Wort der Orthodoxen Bischofskonferenz verabschiedet, in dem wir feststellen, dass Krieg kein Mittel der Durchsetzung politischer Ziele sein kann und darf. Als orthodoxe Bischöfe in Deutschland verurteilen wir die Invasion und den völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine und rufen zu Frieden und Verständigung auf. Wir unterstützen den Aufruf der russischen Bischöfe in Deutschland in ihrem Appell zu Gebet und zu tätiger Hilfe für die Menschen in der Ukraine und für die Flüchtlinge. Wir bitten alle orthodoxen Gläubigen in Deutschland für die Einheit unserer Kirchengemeinden und Diözesen in Deutschland einzustehen. Und schließlich danken wir allen privaten Initiativen und staatlichen Stellen, die den ukrainischen Notleidenden und Flüchtlingen helfen.
Noch etwas: Häufig hört man den Vorwurf: „Und was haben Sie vor 50 Jahren zu Zypern gesagt? Warum haben Sie zum Kosovo-Konflikt geschwiegen? Was haben Sie zum Krieg in Armenien gesagt? Oder Syrien? Oder Palästina?“ Aber hier und heute geht es nicht um ein Aufrechnen oder ein Aufzählen früherer Versäumnisse. Und es geht auch nicht um ein Vergleichen oder Abwägen unterschiedlicher Erfahrungen des Leids. Denn, liebe Gemeinde, gerade für uns Priester und Bischöfe ist es sehr wichtig, dass wir nicht Politiker sind. Wir sind „Liturgen des Allerhöchsten“ (λειτουργοὶ τοῦ Ὑψίστου), d.h. wir feiern die Göttliche Liturgie für die ganze Welt. Wir beten darum, dass der Herr alles Leid hinwegnehme, aber auch darum, dass wir selbst Mitgefühl haben und zeigen mögen. Denn dies ist nicht die Stunde der erhobenen Zeigefinger, sondern des demütigen Niederkniens vor Christus, dem Friedensfürsten. Es ist die Erkenntnis unserer eigenen Schuld und der immer wieder neu stattfindende Aufbruch zur Umkehr. DAS ist dann nämlich der wahre Sonntag der Orthodoxie. Gott segne Sie allen und schenke uns allen Frieden. Amen.
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