Liebe orthodoxe Christen in Deutschland!
Voller Freude feiern wir heute Weihnachten! Die Menschwerdung unseres Herrn Jesus Christus ist das wichtigste Ereignis, das die Menschen erleben durften und gleichzeitig das großartigste Wunder, das - wie es scheint - unser Verstand gar nicht begreifen kann. Denn in der Tat, wie können wir mit unserer menschlichen Logik erfassen, dass die Liebe Gottes zum Menschen so groß ist, dass Gott Mensch wird und dass der Mensch gnadenhaft Gott wird? In Demut kommt Gott vom Himmel auf die Erde, um jenen in Herrlichkeit von der Erde zum Himmel zu erhöhen, der an Ihn glaubt. Seine Ratlosigkeit und seine Verwunderung darüber bringt auch der Dichter eines der Hymnen des heutigen Festes zum Ausdruck, wenn er fragt: „Wie kann der, der unumfassbar ist, vom Schoß seiner Mutter umfasst werden?“[1] Und ein bedeutender christlicher Schriftsteller antwortet gewissermaßen und ergänzt: „Einst lag in dieser Welt in einem Stall etwas, das grösser als die ganze Welt ist!“
Und während der Unfassbare als Kind in den Armen seiner Mutter liegt, scheinen wir Menschen aller Zeiten von diesem Wunder unberührt zu sein und an diesem Tag alles andere als das neugeborene Kind von Bethlehem zu feiern, sozusagen ein Christfest ohne Christus. Unser Streben nach Konsum scheint so groß zu sein, dass wir häufig von der eigenen geistlichen Trägheit erschöpft sind. Wir sind so sehr beschäftigt mit Lichtern, Geschenken und Gebäck, mit Liedern über Schlitten und Rentiere und können dabei nicht einen einzigen Moment innehalten, um über das weltbewegende Geschenk Gottes für uns, der uns ja Seinen Sohn, das einzige Licht der Welt, schenkt, nachzusinnen.
Das Mysterium des Unfassbaren, der in Raum und Zeit zu uns kommt, lässt uns scheinbar unberührt, so dass wir schließlich weder mit uns selbst, noch mit unseren Mitmenschen im Reinen sind. Und weil wir dies nicht sind, können wir ihnen auch nicht vergeben. Johannes der Evangelist fasst dies wunderbar zusammen, wenn er schreibt: „Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.“[2]
Auch in diesem Jahr, das in wenigen Tagen zu Ende geht, sah es so aus, als ob es mehr Finsternis als Licht gegeben habe. Die bösen Taten der Menschen, die das Licht hassen, scheinen die guten Taten der Menschen, die das Licht lieben, überschattet, ja sogar zunichtegemacht zu haben. Die Menschen, die das Licht lieben, sind jene die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten und danach streben, reinen Herzens Frieden zu stiften.[3] Unsere Aufgabe ist und bleibt es also, ohne Unterlass zu verkünden, dass das Böse in seiner Hässlichkeit nicht das letzte Wort hat.
Mit unserem geistlichen Kampf, das heißt mit unserer freiwilligen Teilnahme am „guten Kampf“[4] des Glaubens und der Liebe, können wir mit Gottes Hilfe durch unser Leben im Mysterium und durch die Teilhabe an den Mysterien, den Sakramenten der Kirche, selbst zu leuchtenden Sternen werden, gerade so wie der Stern von Bethlehem. Oder, etwas bescheidener formuliert, wir können den Kerzen ähneln, die wir gläubig in unseren Kirchen anzünden, und zum Ausdruck bringen: „Christus ist die Quelle des Lebens, der Freude und des wahren Lichtes: Christus ist alles!“[5]
Gesegnete Weihnachten!
Bonn, am 25. Dezember 2023
Euer Metropolit
+ Augoustinos von Deutschland
[1] Morgengottesdienst, Hochfest der Geburt Christi.
[2] Joh 3,19-21.
[3] Vgl. Mt 5,1-12.
[4] Vgl. 1 Tim 6,2 und 2 Tim 4,7.
[5] Heiliger Porphyrios von Kavsokalyvia, «Ὁ Χριστὸς εἶναι τὸ πᾶν» ("Christus ist alles"), Ed. Hl. Kloster Chrysopigi, Chania 32016, S. 11.
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